Frauenarzt-Risiken Strafrecht
Bei Verletzen von Regeln entstehen strafrechtliche Risiken für den Frauenarzt, wie z.B. Ermittlungsverfahren wegen Körperverletzung. Der versäumte Hinweis auf ein überlegenes Diagnoseinstrument dürfte das Risiko signifikant erhöhen.
Strafrechtliche Risiken
Behandlungs-, Aufklärungs- und Organisationsfehler zählen zu den typischen strafrechtlichen Risiken ärztlicher Tätigkeit. Werden Regeln verletzt, und der entsprechende Arzt / die entsprechende Ärztin angezeigt, sind die Folgen beispielsweise Ermittlungsverfahren wegen fahrlässiger Körperverletzung, fahrlässiger Tötung und unterlassener Hilfeleistung. Ernstzunehmende Folgen, die ihre Berechtigung haben, wenn man bedenkt, dass es um die Missachtung der Gesundheit der Patienten und somit um vermeidbare, oft unumkehrbare Folgeschäden geht. Auch Abrechnungsbetrug wird immer häufiger angezeigt.
Wenn Sie als Arzt die Aufklärungspflicht verletzen, indem Sie Ihre Patientinnen zum Beispiel nicht über die vergleichsweise bessere Sensitivität des S-Pap-Verfahrens gegenüber anderen Vorsorge-Verfahren aufklären, bestehen verschiedene Strafrechtliche Risiken. Allerdings dürfte eine Strafbarkeit aufgrund der allein in Betracht kommenden Delikte der fahrlässigen Körperverletzung (§ 229 StGB) oder Tötung (§ 222 StGB) möglicherweise im Einzelfall ausscheiden, allerdings nicht mit vollständiger Sicherheit.
Die Folgen strafrechtlicher Ermittlungsverfahren können für den jeweiligen Arzt / die jeweilige Ärztin existenzbedrohend sein, da schon die Verhängung einer Geldstrafe den Entzug der Approbation zur Folge haben kann. Diese Folgen mögen Ihnen übertrieben vorkommen, wenn Sie Ihre Patientinnen lediglich nicht über eine alternative Vorsorge-Methode aufgeklärt haben. Doch versetzen Sie sich einmal in die Lage der Patientinnen: Würden Sie nicht auch davon erfahren wollen, wenn es eine Vorsorge-Methode gibt, die Ihnen mit signifikant höherer Sicherheit Auskunft über Ihre Gesundheit geben kann?
Zugleich geht es auch um die juristische Betrachtung. Die am Rechtswesen beteiligten Menschen denken ganz anders als Ärzte, zugleich fällen die Juristen die Urteile, und nicht ärztliche Kollegen.
Die Voraussetzungen der Strafbarkeit
Für die Strafbarkeit von Strafbeständen gibt es verschiedene Voraussetzungen:
1. Die Sorgfaltspflichtverletzung des Arztes
Eine solche ist gegeben, wenn der Arzt in der konkreten Behandlungssituation "nicht das Verhalten zeigte, welches nach dem anerkannten und gesicherten Stand der medizinischen Wissenschaft von ihm erwartet werden musste" (OLG Hamm, MedR 2006, S. 112).
Davon ausgehend, dass das S-Pap-Verfahren eine deutlich bessere Sensitivität aufweist als vergleichbare Verfahren, so könnte es im obigen Sinne eine Sorgfaltspflichtverletzung darstellen, wenn der Arzt seine Patientin nicht auf die zur Verfügung stehende überlegene Methode hinweist. Allerdings gilt: Allein das Vorhandensein neuerer wissenschaftlicher Erkenntnisse führt „noch nicht zwangsläufig" zu dem Verdikt eines Sorgfaltspflichtverstoßes für die Anwendung eines althergebrachten Verfahrens. Das OLG Hamm betont in diesem Zusammenhang, dass eine Unterschreitung des zu fordernden Qualitätsstandards erst dann anzunehmen ist, „wenn die Vorzugswürdigkeit einer (neuen) Methode im Wesentlichen unumstritten ist“ (a.a.O.).
Es lässt sich nicht mit abschließender Sicherheit sagen, ob ein unterlassener Hinweis auf das S-Pap-Verfahren eine Sorgfaltspflichtverletzung darstellt; dies beurteilt sich nach dem Stand der medizinischen Wissenschaft zum Zeitpunkt der Behandlung. Wenn allerdings ein Diagnoseverfahren mit deutlich überlegener Sicherheit zur Verfügung steht, so spricht einiges dafür, dass die Patientin zum Schutz ihrer Gesundheit zumindest hierüber aufgeklärt werden muss und ein entsprechendes Versäumnis eine Sorgfaltspflichtverletzung darstellt.
Es lässt sich nicht mit abschließender Sicherheit sagen, ob ein unterlassener Hinweis auf das S-Pap-Verfahren eine Sorgfaltspflichtverletzung darstellt; dies beurteilt sich nach dem Stand der medizinischen Wissenschaft zum Zeitpunkt der Behandlung. Wenn allerdings ein Diagnoseverfahren mit deutlich überlegener Sicherheit zur Verfügung steht, so spricht einiges dafür, dass die Patientin zum Schutz ihrer Gesundheit zumindest hierüber aufgeklärt werden muss und ein entsprechendes Versäumnis eine Sorgfaltspflichtverletzung darstellt.
2. Körperverletzung
Eine Strafbarkeit sowohl wegen fahrlässiger Körperverletzung als auch wegen fahrlässiger Tötung setzt voraus, dass gerade die Sorgfaltspflichtwidrigkeit den Tod bzw. die Körperverletzung des Patienten verursacht hat. Dabei muss „mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit" feststehen, dass bei sachgemäßer Behandlung der Tod bzw. die Körperverletzung vermieden worden wäre.
Unterlässt ein Arzt den gebotenen Hinweis auf das S-Pap-Verfahren und ergibt sich bei Einsatz des herkömmlichen Verfahrens ein falscher Befund (falsch positiv oder falsch negativ), so ist zu fragen, mit welcher Wahrscheinlichkeit das S-Pap-Verfahren einen korrekten Befund ergeben hätte und wie sich der weitere Krankheitsverlauf gestaltet hätte.
Nur wenn mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit feststeht, dass der S-Pap-Test einen korrekten Befund ergeben hätte und sich durch die dann erfolgende Behandlung ein weniger schmerzhafter (fahrlässige Körperverletzung) Verlauf ergeben hätte bzw. der eingetretene Tod der Patientin vermieden worden wäre (fahrlässige Tötung), ist die Kausalität zu bejahen.
Nachdem auch der S-Pap-Test keine absolute Diagnosesicherheit aufweist und zudem gerade bei Krebserkrankungen erhebliche Unsicherheiten den Krankheitsverlauf betreffend bestehen, dürfte im Ergebnis der unterlassene Hinweis auf das S-Pap-Verfahren nur selten zu einer Strafbarkeit führen.
Dennoch kann sich jeder Frauenarzt / -ärztin einmal in die Lage der Patientinnen versetzen und sich selbst die Frage stellen, ob er/sie nicht zumindest über eine alternative Vorsorge-Methode aufmerksam gemacht werden will, wenn diese mit signifikant höherer Wahrscheinlichkeit Auskunft über ihre Gesundheit geben kann, Krebsvorstufen nicht übersieht und Klassifizierung von Auffälligkeiten zuverlässig erfolgt.
3. Der versäumte Hinweis auf ein überlegenes Diagnoseinstrument erhöht Risiko
Der versäumte Hinweis auf ein überlegenes Diagnoseinstrument dürfte das Risiko signifikant erhöhen, dass es überhaupt zu einem strafrechtlichen Ermittlungsverfahren kommt. Betroffene Patientinnen dürften nämlich völlig unabhängig von der Frage der Kausalität allein aufgrund des Umstandes, dass sie nicht auf ein besseres Diagnoseverfahren aufmerksam gemacht wurden, Strafanzeige erstatten.
Nachdem ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren per se, also völlig unabhängig von seinem Ausgang, eine erhebliche Belastung darstellt und weitreichende negative Auswirkungen z.B. auf das Ansehen einer Arztpraxis haben kann, empfiehlt es sich auch aus strafrechtlicher Perspektive, die Patientinnen zumindest auf die überlegene Sensitivität des S-Pap-Verfahrens hinzuweisen.
Die Kausalität der Sorgfaltspflichtverletzung für den erlittenen Schaden wird sich wahrscheinlich nicht mit der erforderlichen Sicherheit feststellen lassen. Das ist allerdings nicht ganz auszuschließen, so dass ein gewisses Strafbarkeitsrisiko verbleibt. Wenn Sie Ihre Patientinnen auf die bessere Sensitivität gegenüber anderen Verfahren hinweisen, sind Sie auf der sicheren Seite und verhindern, dass es überhaupt zu einem strafrechtlichen Ermittlungsverfahren kommt. Zudem handeln Sie dann im Sinne der Gesundheit Ihrer Patientinnen, wie diese es sich von Ihnen erhoffen.
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